Manche Dinge muss man einfach gesehen haben z.B. München mit seinen unzähligen Museen - oder nicht? Nachdem ich mich jahrelang erfolgreich geweigert hatte noch einmal München zu besuchen das mir seinerzeit einen äußerst ungünstigen Eindruck hinterlassen hatte, habe ich mich doch breitschlagen lassen. Umweltfreundlich mit dem Zug gab es auf der Hinreise nette Begleitung. Es war gemütlich. Es war ruhig. Und es gab frische Luft. Damit war es dann bei Ankunft sofort und schlagartig vorbei. Der Obhut das Regionalzuges Alex entstiegen fanden wir uns wieder im Gewühl eines Menschenwurms, der uns unaufhaltsam in Richtung Ausgang trieb. Dabei lief alles diszipliniert ab, mit einer seltsamen stoischen Gelassenheit, die leider nicht auf mein Gemüt überschwappen konnte. Auf der Liste stand als erstes das Museum für ägyptische Kunst. Seine Architektur erinnert an einen pharaonischen Tempel, Licht fällt durch den Innenhof durch ewig lange Fenster, die sich mit dicken säulengleichen, hoch aufstrebenden Trennwänden abwechseln. Im Inneren beherbergt es eine riesige Sammlung, der interessierte Besucher verbringt in der ruhigen fast schon mystischen Ruhe entspannte bildungsreiche Stunden, wobei mir die ständig präsente Security schon irgendwie auf die angespannten Nerven ging.
Nach dem Ausflug in die Antike folgte der Besuch des Deutschen Museums, welches
schwer beeindruckt hat. In verschiedenen Austellungsbereichen sind unzählige
Exponate und tausende Stationen zum Ausprobieren und Mitmachen untergebracht.
An vielen prangte die Aufschrift "außer Betrieb". In den allermeisten
Fällen aber konnte man selbst Hand anlegen, Zusammenhänge testen und
verstehen. Wenn man durch die riesige Ausstellung wandert und die Menschen
beobachtet kann man doch eine gewisse Geschlechtertrennung beobachten,
insbesondere in dem Bereich Physik / Technik. Hier tummelten sich vorwiegend
Männer und Buben, wobei sich die Ersten sich redlich bemühten den Zweiten ihr
Wissen näher zu bringen und dabei glänzende Augen hatten. Hin und wieder fand
sich auch eine Dame mit Interesse an diesem Gebiet welches über die
Zusammenhänge der Erdanziehungskraft und aufgeschlagene Knie der
Nachwuchsphysiker hinausging. Oh ja, es gab eine Menge zu entdecken und noch
viel mehr auszuprobieren, ein Tag ist für das weitläufige Gelände definitiv zu
wenig, denn schließt es um 17 Uhr seine Pforten so ist noch genügend vom Tag
übrig.
Der geordnete Rückzug zum Hauptbahnhof führt über den Viktualienmarkt,
einen mit grünen Bretterbuden bestandenen Platz, auf dem man Obst, Gemüse, Käse,
Gewürze und dergleichen in Unmengen findet. Ist irgendwie wird der Wochenmarkt
in jedem x-beliebigen Ort - nur eben größer, der Stadt angepasst, grüner als
grün, irgendwie knuffig-alt. Der totale Gegensatz dazu ist das Gewimmel
ringsherum. Im Hofbräuhaus Anstehreihen fürs leibliche Wohl, welche ich dankend
ablehne. Taktgeber für Stop-and-Go sind die Ampeln, mitunter dreispurig stehen
da die Fahrzeuge nebeneinander, wie an einem Gummiband flutscht der Verkehr
vorüber, oder kommt fast vollständig der vielen Fußgänger wegen zum
Erliegen. In der Fußgängerzone wechseln sich Gerüche ebenso ab wie die
Edelmarken. Es ist eine Mélange aus Essen, Schweiß, betäubenden Parfum - fast
schon Gestank, Kanalisation. Zwischendrin zum Urinal gewandelte schöne gusseisernen
Straßenlaternen, welche mit schwungvollen Bogen nächstens zu Erleuchtung bei
Erleichterung dieser und anderer ungeeigneter Stellen sorgen.
Absolut unerträglich ist
der Geruch der U-Bahn, teilweise nach altem abgestandenen Kondenswasser,
welcher eine zwanghafte Handbewegung Richtung Nase auslöst. Man sieht man
Menschen im Müll wühlen nach Pfandflaschen, nach Zeitungen die man noch lesen
kann, welche wie ein Schatz sorgsam gefaltet in der Jackentasche verschwinden,
wird aufmerksam gemustert, ob man da nicht seine Pfandflasche, endlich leer
getrunken, vielleicht auch im Müll überantworten möchte, sieht Matratzen liegen
wo Obdachlose nächtigen, sieht Menschen auf Knien um Geld bitten, Menschen mit
Musikinstrumenten die in dem vorbeiströmenden Pulk Manchen erreichen und zum
Innehalten veranlassen, alles beobachtet, videoüberwacht. Unsicher fühlt man
sich nicht, eher vom städtischen Ganzen vereinnahmt, gleichsam entrückt von
allem was gewohnt ist. Von den reich verzierten Fassaden blicken in Stein
gehauene in versteinerte Gesichter, hin und wieder ein Lächeln erhasche ich im
Vorbeigehen. Das ist eher die Ausnahme, die Menschen shoppen, sind vollständig
in sich selbst versunken auf der Suche nach irgendetwas das ihre Seele erfreut.
Wo die Suche erfolgreich war hängt so manches Täschchen triumphal schaukelnd am
Arm, bald gesellen sich noch einige mehr hinzu, in einem der vielen
Straßencafés sitzt man beieinander, und begutachtet die Ausbeute. Nein, ich
hatte kein Verlangen nach irgendetwas was dieser gesichtslose, disziplinierte
Moloch in seinen Auslagen feilbot, Babylon klang und roch bestimmt so ähnlich.
Nicht einmal Hunger verspürte ich in dieser lärmenden Häuserwüste. Nur das
Bedürfnis nach frischer Luft und weichem Waldboden unter den Füßen, heim, nur
heim, raus aufs Land. Sowie die Bahn mich nach München brachte so rüttelnd
brachte sie mich zurück, leider diesmal nicht so ruhig, denn einige Eltern,
denen ihr Handy wichtiger war als ihr Nachwuchs, erlaubten ihren Rangen die
Abteiltüre, das Gestühl und den Deckel des Mülleimers einen Dauertest zu
unterziehen. Da darf und kann man etwas sagen, auch wenn man dafür mit einem
bösen Blick bedacht wird, Ordnung muss sein, wer will schon auf dreckigen
Polstern sitzen. Ein Tag Großstadt, und ich weiß wieder wie klein mein Dorf ist
in dem ich lebe und wie froh ich bin darum bin, auch wenn’s hier viel zu oft
nach Kuhscheiße stinkt, der Regen spült es fort, danach ist wieder eine Weile
Ruhe. Hier liegen nicht unzählige Zigarettenkippen, an jeder Ecke,
irgendwelches Zeug neben und um den Müllkübel, der zum Gotterbarmen stinkt,
kleben nicht tausende breitgetretene Kaugummis auf der Straße. Das eine solche
Stadt funktioniert ist auf jeden Fall beeindruckend, weniger schön sind die
überquellenden Wertstoffinseln. Ein Tag München - mein Füße bitten um Erbarmen,
meine Ohren klingeln, mein Hals brennt, ich komme mir vor als hätte ich Dreck
gefressen und das habe ich wahrscheinlich im wahrsten Sinn des Wortes. Nein,
München du und ich wir werden keine Freunde und ich werde dich ganz sicher nicht
noch mal besuchen. Nein, ich gehe lieber in die Berge, suche dort
nach Kleinodien die man für Geld nicht kaufen kann und mir so viel wertvoller
sind, hier atmet das Leben selbst in Wasserfällen, satten Wiesen, dunklen
Wäldern, schroffer Fels. Danach geht mein Sehnen, und ich bin so bar jeden
Verlangens nach materiellen Gütern das eine tiefe Ruhe in meinem Herzen mich
voller Dankbarkeit und Zufriedenheit sagen lässt: Ich bin ein Teil des
beseelten lebendigen grünen Seins. Ich bin Landerun.