Hinter unserem Garten gibt es ein sehr unwegsames Gelände, es wachsen
einige Weiden, verschiedene Kräuter wild durcheinander, es werden Steine
abgeladen, kurz es ist ein Ort der von Menschen eher selten aufgesucht wird.
Und genau an diesem Ort wächst eine der gigantischsten Pflanzen unserer Heimat.
Zugegeben, sie ist eine Wanderpflanze, ein so genannter Neophyt. Eigentlich,
so möchte man meinen, gehört sie gar nicht so recht hierher, denn
eigentlich ist sie im Kaukasus einheimisch. Der russische Zar Alexander I.
schenkte eine Vase mit den Samen dem Fürsten von Metternich, der sie in seinem
Garten aussähen ließ. So kannst du es nachlesen Wolf Dieter Storls Buch über
wandernde Pflanzen. Weiterhin heißt es, dass die Pflanze lange Zeit an den ihr
zugewiesenen Orten wuchs, sich plötzlich Mitte des letzten Jahrhunderts spontan
sich über Europa verbreitete.
Es gibt wohl kaum eine Pflanze die mit einem derartigen Hass verfolgt wird
wie die Herkulesstaude. Im Jahre 2008 wurde sie sogar zur Giftpflanze des
Jahres gekürt. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass diese Pflanze die am
meisten gehasste eingewanderte Pflanze in Deutschland ist. Man findet sie an
Flussufern und Bachauen, auf Müllplätzen und auf feuchten Wiesen, an den Säumen
unserer Wälder. Man findet ihn auf belasteten Böden, die mit schweren Maschinen
bearbeitet und stark bedüngt werden, denn der Riesenbärenklau liebt überdüngte
Böden. Da diese auch mit dem Wind fort getragen und an anderen Stellen
angereichert werden, findet der Bärenklau immer wieder neue Lebensräume. Mit
seiner Verfolgung und dem Versuch der Ausrottung in unseren Breiten ist nicht
etwa die Ursache für seine massenhafte Verbreitung abgestellt, sondern bekämpft
wird nur das Symptom einer kränkelnden Natur, die Verantwortung dafür trägt der
Mensch.
Doch anstatt Verantwortung dafür zu übernehmen, wird das Fremde zum
verhassten Objekt und bekämpft wo immer möglich. Wäre es nicht viel besser
diese wahrhaft wunderschöne, imposante und überlebensfähige Pflanze als Zeiger,
als Mahnung, ja als Warnung anzusehen? Das ganze Gleichgewicht der Natur ist
aus den Fugen geraten durch extreme Bewirtschaftung ohne Rücksicht auf das
natürliche Gleichgewicht. Was der Boden nicht mehr hergeben kann wird ihm
trotzdem mit Überdüngung abgerungen, bis am Ende nichts mehr bleibt. Ein
interessanter Aspekt, jüngst gelesen im oben genannten Buch von Herrn Storl,
ist die Überlegung von einigen Ökologen: Sie sind der Auffassung, dass der
Riesenbärenklau eine Art pflanzliches Testosteron abgibt, dass der zunehmenden
Verweiblichung von Amphibien und Fischen entgegenwirken könnte, sozusagen die
Antwort der Erde auf all den Menschen gemachten Irrsinn.
Es gibt verschieden Arten:
Der Mantegazza-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) ist im Westkaukasus
beheimatet. Er ist der bestimmt der Berühmteste und gefürchtetste der
Riesenbärenklaupflanzen.
Weiterhin den Sosnowski-Bärenklau (Heracleum
sosnowskyi). Dieser gedeiht in Mittel-und Osteuropa, dem Kaukasus, in
Transkaukasien und der Türkei. Er wurde erstmals im Jahre 1944 beschrieben und
in Europa wegen seiner hohen Produktivität als Futtersilage eingesetzt.
Anscheinend verändert er aber bei Fütterung Geruch und Bekömmlichkeit der Milch
und wahrscheinlich auch des Fleisches der Masttiere.
Und es gibt noch den
Persian-Bärenklau (Heracleum persicum), er wächst in der Türkei,
sowie im Iran und Irak.
Die Herkulesstaude ist ein wahrer Überlebenskünstler. Sie ist mehrjährig,
speichert in ihrem Wurzelstock alle Nährstoffe und treibt ziemlich
schnell im Frühjahr aus. Dabei wächst sie in einer immensen
Geschwindigkeit und kann unter sehr günstigen Bedingungen bis zu 5 Metern
Wuchshöhe erreichen. Ihre Blätter sind gigantisch groß. Mit ihren riesigen,
weißgelben Doldenblüten kann eine einzige Pflanze mehr als 10.000 Samen
hervorbringen, die so leicht sind, dass sie mit dem Wind zu neuen
Standorten fliegen. Dort angekommen können Sie jahrelang im Boden bleiben und
irgendwann bei günstigen Bedingungen auskeimen.
Man rückt der robusten Schönheit mit Flammenwerfern, Macheten und Sensen zu
Leibe. In Anbetracht des oben Genannten werden aber all die Bemühungen kaum
erfolgreich sein, wenn man nicht endlich die Ursachen abstellt, die zu ihrer
massenhafte Verbreitung wirklich beitragen. Ihre Bekämpfung erfolgt oft von
Nichtprofis, auch hier in unserem Heimatort, mehr als stümperhaft. Gut zu
wissen: Nach der Blüte stirbt die Pflanze. Daher die Blüten vor der
Samenausbildung - aber nach dem Blühen - mittels geeigneten Werkzeugs
vorsichtig abschneiden. Die Pflanze ist hartnäckig, vor der Blüte abgeschnitten,
treibt sie wieder und wieder aus, ein unbändiger Lebenswille treib sie
an.
Ungefährlich ist die Pflanze in keinem Fall. Sie enthält Substanzen, die in
Verbindung mit Sonnenlicht zu schweren Hautausschlägen führen kann. Außerdem
kann es zu Schwellungen der Atemwege und der Lunge kommen. Bei Kontakt
unbedingt sofort mit klarem Wasser, dem in Russland etwas Natron beigefügt wird
abspülen und einen Arzt aufsuchen. Allerdings schafft dies der kleinere Bruder
der Herkulesstaude, der einheimische Bärenklau, auch, nur anscheinend nicht so aggressive.
Natürlich kann man den Riesenbärenklau sich nun wirklich nicht massenhaft
verbreiteten lassen, ein bisschen Platz braucht ja schließlich jedes Lebewesen
zum Gedeihen. Ihr Einfluss auf die heimische Pflanzenwelt ist nach neuesten
Erkenntnissen überbewertet. Lediglich bei massenhaftem Auftreten kann durch
ihre riesigen Blätter und den damit verbundenen Schattenwurf der Bewuchs mit anderen
Pflanzen stark zurückgehen. An Bach und Flussläufen soll sie zur Bodenerosion
beitragen und damit den Flussverlauf verändern können.
Ich habe lange gesucht, ob es denn nicht doch etwas für den Menschen
Nutzbringendes aus dieser Pflanze zu fertigen gibt und bin fündig geworden.
Mancherorts werden die kräftigen Stiele geerntet und nach einer langen
Trocknungszeit vollständig ausgehöhlt, geschliffen und versiegelt. Daraus
stellt man Bärenklau-Didgeridoo her.
Und so klingt das:
Wie auch immer; in allen Erdteilen wachsen giftige Pflanzen und leben
Tiere, die dem Menschen schaden können. Aber selbst den Kleinen der Kleinsten
kann man beibringen, eben diese Lebewesen zu meiden. Nur weil sie uns schaden
könnten, haben wir doch noch lange nicht das Recht, sie mit einem derartigen
Hass zu verfolgen. Das Einzige, was wirklich Bestand hat, ist der beständige
Wandel, ob nun von Menschen gemacht oder als Folge natürlicher Prozesse.