Der Feind ist eingedrungen, vor dem uns lang gegraut ...

Seuchen gab und gibt es immer wieder, das haben wir schon im Geschichtsunterricht gelernt. Der Mensch wusste schon früh Seuchen für sich zu nutzen und gezielt hervorzurufen. Bei der Belagerung der Burg Karlstein im 15. Jhdt. - so schreibt der Chronist Hayek - sollen um die 1800 Behälter mit Exkrementen und auch Leichen mittels Katapult in die Befestigungsanlage gefeuert worden sein. Von anderen Belagerungen wird ähnliches berichtet. Traten Seuchen unabhängig von Kriegen auf so waren die Auslöser Einschleppung (durch Wanderungen, Handel), befeuert wir das Szenario durch Hunger, Mangelernährung, unzureichende Hygiene. Doch wie gingen die Völker mit solchen Ereignissen um? Leben Menschen in Einklang mit ihrer Umgebung so lernen sie durch Beobachtung, sich anzupassen, das Vorhandene effektiv zu nutzen unter dem Gesichtspunkt des Erhalts und der Mehrung. Das erworbene Wissen (auch das in der
Erbsubstanz der „Herde“ verankerte) wird über Generationen weitergegeben. In Ermangelung wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden war zu früheren Zeiten die Krankheit entweder eine Strafe für Fehlverhalten oder das Werk böser Geister, die den Körper des Erkrankten heimsuchten, ihn besetzten. Zur Wiederherstellung der Gesundheit behalf man sich man sich mit allerhand Kräutern, Tränken und Gebräuen. Unsere Vorfahren beherrsch(t)en eine Medizin die sowohl den mythologischen, magischen als auch den naturheilkundlichen Bereich umfasst(e). Allein mit Erstarken der christliche Mythologie und ihrer Gottergebenheit, nach der alles Leiden und selbstverständlich auch die darauffolgende Genesung von Gott kommt, wurde vielfach die Behandlung und die Linderung der Leiden verboten, statt dessen im Gebet Heilung gesucht, was ein hohes Maß an Duldungsfähigkeit und festem Glauben erforderte. Trat eine Krankheit blitzartig und völlig unvorhersehbar auf, so war die logische Erklärung das hier übernatürliche, bösartige Kräfte am Werk waren, Dämonen, der Satan selber und / oder seine Werkzeuge - Hexen und Ketzer. Es wussten sich wenigstes Teile der Bevölkerung auf die ein oder andere Weise zu helfen, einiges ist überliefert, viel zu viel im Nebel der Geschichte und im Rauch der Inquisitionsfeuer verloren gegangen.

Selbstverständlich lernten die Menschen mit dem Auftreten der Seuchen auch ein wenig das Wesen derselben kennen, sie lernten durch Beobachtung und versuchten entsprechende Abwehrmaßregeln zu installieren. Zu den primitivsten und gleichzeitig zweckmäßigsten Mitteln zählen nun mal die einfachste Hygiene und die Separierung der Kranken von den Gesunden, sowie die schnellstmöglich Beseitigung der sterblichen Überreste. Das Entfernen der Kranken aus der Gemeinschaft, ihre vollständige Isolierung, davon berichten Chronisten ebenso wie die Bibel z. B. von Aussätzigen, die in eigens zugewiesenen Gebieten zu leben hatten, bis das Schicksal sie ereilte. Eine weitere Maßnahme war die Absperrung der Ortschaften nach außen, eine Grenzsperre, die sowohl den bösen Geist als auch bereits Erkrankten am Betreten des Dorfes hindern sollte. Sichtbare Zeichen am Wege warnten vorm Weitergehen. An solchen Grenzsperren wurden auch Opfergaben hinterlegt, um die Krankheitsgeister gnädig zu stimmen. So ist von den Tungusen und Burjäten bekannt, dass sie beim Ausbruch von Pockenepidemien Milch, Tee und Fleischspeisen vor ihre Jurten stellten, um so die Krankheit dazu zu bewegen ihre Wohnung zu verschonen. Von den Winnebagoindianer weiß man, dass Hunde sowohl als Opfertier als auch zur Nahrungsgewinnung genutzt wurden. Zum ersten Zweck wurden die Tiere in der Nähe des Dorfes an Bäumen aufgehängt oder Pfähle damit bestückt. Auch Hühner und anderes Getier wurde geopfert, auch in Europa, stets verbunden mit der Bitte diesen Ort zu verschonen. Um
die Bitte nachhaltig zu unterstreichen, auch um eine abschreckende Wirkung zu erzielen, standen den Opfergaben figürliche, oft bewaffnete Mitstreiter bei, an deren Verwendung sich fast nahtlos Magie und Zauberei anschloss. Mit dieser wichtigen Aufgabe war meist ein heilkundlich bewanderter Mitbewohner nebst seinen Gehilfen des betreffenden Siedlungsgebietes betraut. Dabei bediente man sich allerhand geweihter Gerätschaften und einem festgelegten Zeremoniell. Krankheiten wie Typhus, Fleckfieber, Malaria, Gelbfieber, Pest und Cholera mach(t)en den Menschen nicht nur in Europa immer wieder zu schaffen. Die Pest vermochte ein ganzes Gesellschaftssystem in seinen Grundfesten zu erschüttern, alte Regeln und Dogmen hinweg zu fegen und damit Platz zu schaffen für die Weiterentwicklung und Neuausrichtung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Mit dem Auftreten von Epidemien ging also auch immer die Erneuerung des Denkens einher, verbunden mit einer Rückbesinnung und, je nach Schwere des Ausbruchs - die Suche nach einer höheren Macht, in deren Hände man seinen Geist und Schicksal, Ach und Weh befehlen konnte. Doch fußte die Hoffnung der Menschen nicht nur auf Gottvertrauen, sondern auch wie gesagt auf allerlei pflanzlichen, tierischen oder magischen Mitteln. Dabei war man durchaus sehr erfinderisch. An den an Cholera Erkrankten z.B. wurden Essigwaschungen durchgeführt, in welchem Knoblauch zerstoßen war, zur Vorbeugung empfahl sich das Räuchern mit Wacholderbeeren. Selbstverständlich der Verzehr von Knoblauch und anderen stark riechenden Pflanzen. Allerhand Kräuter wurden beim Auftreten von Seuchen

angewandt, Knoblauch, Kampfer, Pfeffer, Pestwurz, Salbei, Lavendel, Rosmarin, Zwiebeln, Johanniskraut, oder Pimpinella sind einige davon. Beim Auftreten der Seuche kündet immer irgend etwas das bevorstehende Unheil an, das kann ein Wetterphänomen, ein kosmisches Ereignes und der Gleichen mehr sein. Der Volksmund berichtet vor Ausbruch der Cholera von Sichtungen eines dürren, abgezehrten, weinenden Weibes, welches nur mit einem Hemd bekleidet, an dem Ort erschien, an denen die Seuche schließlich ausbrach. Nun suchte man sich mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln im Vorfeld gegen die Krankheit zu wappnen. Doch wo geht der Kelch vorüber und wen rafft die Seuche dahin? Keiner weiß es und keiner kann es vorhersagen. Überliefert ist die Mähr einer Gasse in einer Stadt, in der die Wäscherinnen und Gerber ansässig waren. In dieser Gasse gab es nicht einen Erkrankten und nicht einen Toten. Ob nun der abscheuliche Gestank - und jeder der schon einmal an einem Gerberbottich unfreiwillig gerochen hat weiß was ich meine - dazu beigetragen hat oder ob einfach die Leute in besagter Gasse wegen des ständigen Kontaktes mit Keimen eine sehr gute Immunabwehr  besaßen - wer weiß es schon. Aber überliefert ist der Brauch altes Lederzeug beim Auftreten einer Seuche zu verbrennen. Überliefert ist auch das "Öl der vier Diebe", mit dem eine Diebesbande der Pest getrotzt haben soll. Bei allem Schrecken für die Betroffenen, solche Ereignissen haben immer einen sehr großen Einfluss auf Kunst und Kultur, stellvertretend sei hier das Gedicht "Worte des Trostes beim Ausbruch der Cholera - Simrock" Leipzig 1844, aufgeführt:

Der Feind ist eingedrungen,
Vor dem uns lang gegraut,
Noch starrt auf allem Zungen,
Der Schreckenskunde Laut;
Ihn wehrten keine Schranken, 
Kein Heer gebot ihm Halt, 
Frei schritt er, gleich Gedanken, 
Durch dichter Lanzen Wald...
Wirst du dir einst im Herzen
Bewusst der Gotteskraft,
Die siegreich über Schmerzen
Im Glücke nur erschlafft,
Und kannst du sie erwecken, 
Gewiss, dann stirbst du nicht:
Dem Tod und seinen Schrecken
Lachst du ins Angesicht.
Was ringst du deine Hände
Und lässt sie müßig ruhn?
Es ist an manchen Ende
Gar viel für dich zu tun;
Du sollst die Furcht ertöten
Und anderen Mut verleihen,
Ein Helfer in den Nöten
Sollst du den Brüdern sein.
Willst du dich selber retten,
So lindere fremde Not
Und lern an Krankenbetten
Zu ringen mit dem Tod;
Wo Lieb' und Treue rufen,
Da fürchte dich kein Haar:
Du bringst an Altarsstufen
Kein frommer Opfer dar.


Nun denn, bleibt alle gesund und munter. Legt Euch ein paar Vorräte an, dann müsst ihr nicht raus wenn ihr einmal krank seid.