Schnüffelkoffer


Wieder mal sind die Tage dahin gegangen, wieder mal wie im Fluge. Man trifft sich nach langer Zeit und nimmt sich fest vor, dieses Mal wird es nicht so lange dauern, bis man sich wieder sieht, nein diesmal nicht. Man tritt den Heimweg an, der Andere bleibt zurück in seiner gewohnten Umgebung, eigentlich schätzt man sich glücklich, hat was man zu Leben braucht und trotzdem, trotzdem fehlt etwas.

Ich bin mir sicher, das geht vielen so, die die Feiertage mit der Familie verbringen konnten, oder mit guten Freunden, die man sonst nicht sieht, weil wir alle in alle Winde verstreut wohnen. Wie gut ist es doch im Zeitalter von Internet zu leben, dank diverser Chatprogramme und Webcams kann man der ferne wohnenden Tante hin und wieder ansichtig werden. Wenn ich mich da an früher erinnere - früher - wie sich das anhört, als sei ich schon uralt :-). Aber ernsthaft, als ich Kind war da wohnte die meisten Familienmitglieder im Umkreis von 20 - 50 km. Da konnte man mal eben bei Oma oder bei der Schwester auftauchen, wenn man sich bei der letzten Familienfeier nicht mal eben richtig in der Wolle hatte. Und selbst wenn, man kann sich ja wieder vertragen. Heute nun wohnen viele weit verstreut, alle an einem Tisch, das gibt’s bei Beerdigungen, oder Hochzeiten. Meistens aber bei Beerdigungen. Ganz früher, ja da schrieb man noch Briefe, lange Briefe. Sehnsüchtig wartete man den Postboten ab, ob nicht einer von einem nahe stehenden Menschen aus der Ferne dabei sei. Dann wurde er aufgerissen und hastig gelesen, noch einmal und noch einmal, dann etwas in Ruhe und schließlich ging man daran zu antworten. Eng beschrieben waren die Seiten, man musste Gewicht sparen, Briefmarken kosten schließlich auch Geld :-). Man gab sich Mühe beim Scheiben alles bildhaft in lebendigen Farben auszumalen, das der Andere eine Vorstellung bekam. Und heute, wenn man nach all den Jahre die alten Briefe, die man wie einen Schatz hütet und mit denen man schon x-Mal umgezogen ist, noch mal liest, dann werden die Erinnerungen wach.

Meine Briefe habe ich in einem uralten Lederkoffer, zusammen mit alten Fotos, einem Haarzopf, ein Stücklein Spitze, einem Schwimmabzeichen, kaum größer als mein Daumennagel, die Einzige, die ich unsportliches Menschenkind jemals bekommen habe. Dazu die Urkunde, faltig, knittrig, alt, ein Stück Geweih, einige alte, nostalgisch anmutenden, selbst gebastelten Anstecker, das Poesiealbum, das heute Freundebuch heißt, geschmückt mit den Poesiealbumbildchen, geprägt, manche noch mit Flitter, eine kleine französische Miniaturflasche Parfüm, ein Stück Seife, uralt schon, immer noch duftend, dank synthetischer Zusätze. So riecht der dunkelblaue Koffer, der den Namen Schnüffelkoffer :-) hat, nach Seife und Krimskrams.

Wahrscheinlich hat jeder seinen Koffer, Kiste oder Schatulle voller Erinnerungen. Ich finde das schön, wie eine eigene kleine Welt voller wundersamer Begebenheiten, die nur für einen selber eine Bedeutung hat. Und da hinein kommt über die Lebensjahre verteilt das eine oder andere Stück hinzu. Omas "Schnüffelkiste" war immer besonders interessant. Ein Spitzentaschentuch, Haarnadeln, ein alter Hornkamm, Knöpfe. Schätze für die Kinder. Geschichten. lieb gewonnen, oft gehört, nie vergessen. So leben die Menschen in unseren Herzen weiter, auch wenn sie schon lang heimgegangen sind. Dieser Tage nun kam wieder ein kleines Etwas in den Schüffelkoffer, eine kleine Kleinigkeit, als Erinnerung an zwei stressige, aber schöne Wochen.